Neuankömmling schon am gesamten Bodensee verbreitet
10.01.2024
Der 2021 erstmals im Bodensee nachgewiesene Granataugen-Flohkrebs (Echinogammarus ischnus) hatte zuerst nur lokale Vorkommen in Radolfzell (Untersee) und Langenargen (Obersee). Nachdem er 2022 nur in Langenargen nachgewiesen werden konnte, wurde er im Jahr 2023 im Rahmen des regelmäßigen Neozoenmonitorings der IGKB bereits an den Ufern aller Seeteile (Untersee, Überlingersee und Obersee) und im Seerhein gefunden. Seine Dichten an den Fundstellen sind bisher eher spärlich, aufgrund der seeweiten Verbreitung scheint er sich allerdings am Bodensee etabliert zu haben.
In anderen Gewässern hat er Massenvorkommen gebildet und zeigte invasives Verhalten indem er andere Amphipodenarten verdrängte. Beides konnte im Bodensee noch nicht festgestellt werden. Eine Veränderung der Artenzusammensetzung wird bei dem voraussichtlich zunehmenden Einfluss von E. ischnus vermutet und wird weiter überwacht.
Fundstellen von Echinogammarus ischnus am Bodensee seit den Erstfunden 2021. Grafik: HYDRA.
Neue Homepage Neozoen-Bodensee.de
Leider kann auch Software kann "in die Jahre" kommen, so auch die Homepgage Neozoen-Bodensee.de. Gestartet und programmiert wurde sie ihm Rahmen des 2003 gestarteten Interreg-Projekts "Aquatische Neozoen im Bodensee". Nach deutlich über 15 Jahren Laufzeit war eine Modernisierung der Grundlage schon länger geplant, durch technische Umstände wurde der Weiterbetrieb aber leider kurzfristig unmöglich und die Neuprogrammierung schneller fällig als geplant.
Damit die hier präsentierte Inhalte mit möglichst kurzer Unterbrechung zur Verfügung stehen, wurde beschlossen bereits eine noch unfertige Version zu veröffehtlichen. Daher gibt es noch einige Baustellen bezüglich Inhalt und Aussehen. Inhaltlich fehlen vor allem noch die Verbreitungskarten, die demnächst eingepflegt werden.
Echinogammarus ischnus: Neuer Flohkrebs im Bodensee
02.03.2023
Nach der Entdeckung der folgenreichen Einschleppung der Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis) im Mai 2016 gab es für den Bodensee mehrere Jahre keine Meldung weiterer invasiver Arten. Vor kurzem wurde jetzt der invasive Flohkrebs Echinogammarus ischnus In Proben aus den Jahren 2021 und 2022, die im Rahmen des Neozoenmonitorings der IGKB aus dem See entnommen wurden, festgestellt worden. Die Funde stammen aus Radolfzell im Untersee und Langenargen im Obersee. Der große Abstand der Fundstellen und die jeweils benachbarte Lage zu Sportboothäfen ist eine unabhängige Einschleppung mittels Wanderbooten wahrscheinlich. In Radolfzell wurde er nur 2021 gefunden, bei Langenargen hat die Dichte seit 2021 noch zugenommen. Daher sollte sich E. ischnus im Bodensee etabliert haben.
Die aus der Pontokaspis stammende invasive Art, gelangte bereits früh mit Floßholz- und Schiffstransporten über Wolga und Donau nach Mitteleuropa. In das Rheinsystem gelangte sie in den 1990er Jahren und hat sich dort zusammen mit weiteren Arten aus der Pontokaspis etabliert. In den letzten Jahren kamen die Fundmeldungen immer näher an den Bodensee heran. So wurde sie 2021 in der Limmat gefunden, hat von dort aus den Unterlauf der Aare besiedelt (Fundmeldungen 2022) und dürfte mittlerweile auch im Hochrhein unterhalb der Aareeinmüdung vorkommen. Daher war eine Weiterverbreitung bis in den Bodensee bereits zu erwarten.
Die weitere Ausbreitung im Bodensee wird im Rahmen des laufenden Neozoen-Monitorings weiter beobachtet.
Neuer Süßwasser-Borstenwurm im Bodensee: Hypania invalida
14.10.2021
Hypania invalida. Copyright: HYDRA
Im Rahmen des aktuellen Neozoenmonitorings im Bodensee wurde der Süßwasser-Borstenwurm Hypania invalida im Bodensee gefunden. Er ist der einzige Süßwasserpolychät Mitteleuropas und stammt aus dem pontokaspischen Raum. In Deutschland ist er seit 1958 aus der Donau bekannt (Kothé 1968) und breitete sich nach der Eröffnung des Main-Donau-Kanals (1992) schnell im Rheinsystem aus. In Richtung Bodensee stagnierte die Ausbreitung allerdings seit 2006 in der weiteren Umgebung von Basel. Für die bisherige Verbreitung wurde vor allem die Schifffahrt verantwortlich gemacht. Daher war eine Einschleppung in den Bodensee mit Wanderbooten bereits seit Jahren erwartet worden.
Die erste Fundmeldung im Bodensee im August 2021 stammt aus Beobachtungen im Rahmen des Quagga-Tiefenmonitorings des Instituts für Seenforschung (ISF) in Lagenargen. Hier wurden die Würmer und ihre Wohnröhren in 20-30 m Tiefe beobachtet. In zu dieser Zeit noch in Bearbeitung befindlichen Proben des Neozoenmonitorings der IBKF aus dem Flachwasserbereich vor Langenargen von Oktober 2020 konnte die Art ebenfalls nachgewiesen werden. Hypania invalida hat sich damit über einen größeren Tiefenbereich im Bodensee etabliert. Eine weitere Ausbreitung auf den Feinsedimenten des Bodensees wird erwartet.
Der Süßwasser-Borstenwurm lebt auf Feinsubstrat und ernährt sich überwiegend von Detritus. In den bisherigen Verbreitungsgebieten hat sich die Art meist in die natürlich vorkommenden Lebensgemeinschaften integriert. Daher werden für den Bodensee keine größeren Folgen für das Ökosystem erwartet.
Schnelle Ausbreitung der Quagga-Muschel im Bodensee
02.03.2020
Wie bereits berichtet, erfolgte der Erstnachweis der Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis) für den Bodensee im Mai 2016 durch Taucher in Wallhausen in ca. 25 m Wassertiefe (Patrick Steinmann, AWEL). Der folgende Artikel fasst die schnelle Ausbreitung der invasiven Art im Bodensee zusammen.
Kurz nach dem Erstnachweis erfolgte eine Nachsuche mit Tauchern und ergab zusätzlich vereinzelte Tiere am benachbarten Klausenhorn (HYDRA). Dabei wurden auch mehrjährige Tiere gefunden. Parallel tauchten im Nordteil des Obersees mehrjährige Einzeltiere in Tiefen unterhalb von 5 m auf (ISF). Der Ersteintrag in den Bodensee erfolgte damit bereits vor 2016 und eventuell nicht nur an einer Stelle. In der ufernahen Flachwasserzone ergab die Suche an 50 Standorten rings um den See zu diesem Zeitpunkt keine Vorkommen (HYDRA). Damals wurde eine unauffällige Entwicklung im Bodensee erhofft.
Kurz nach diesen Erstfunden nahm die Ausbreitung allerdings sehr schnell zu. Im Herbst 2016 tauchte die Quagga-Muschel im Bereich der bereits bekannten Gebiete auch in der ufernahen Flachwasserzone auf (Abb. oben), ein Jahr später – also im Herbst 2017 – war bereits fast das gesamte Ufer besiedelt (Abb. mitte). Seitdem gab es nur noch Lückenschlüsse und eine Erhöhung der Dichten im Flachwasserbereich (Abb. unten). An den meisten Uferbereichen hat die Quagga-Muschel die schon länger etablierte Dreikantmuschel weitestgehend verdrängt. In nennenswerten Mengen kommt letztere aktuell nur noch um die Halbinsel Reichenau und in einzelnen Bereichen des Schweizer Ufers vor (HYDRA).
Ausbreitung der Quagga-Muschel am Bodensee 2016–2019 (jeweils Herbst) (Copyright HYDRA)
In größeren Tiefen breitet sich die Quagga-Muschel erfolgreich in Bereiche aus, die bisher nicht von der Dreikantmuschel besiedelt waren. Im Gegensatz zur Dreikantmuschel kann sie unter anderem besser auf Weichsubstrat siedeln und auch bei dauerhaft niedrigeren Temperaturen wachsen und reproduzieren. Die Fähigkeit zur Besiedlung von Weichsubstraten sowie die ganzjährige Reproduktion verschaffen der Quaggamuschel deutliche Vorteile gegenüber der Dreikantmuschel. Beide Arten pflanzen sich über freischwimmende Larven (Veliger) fort. Die Dreikantmuschel setzt allerdings immer nur kurz im Jahr Larven frei – die Quagga-Muschel macht dies das ganze Jahr über. Dies zeigt sich im Bodensee bereits seit dem Winter 2016/2017.
Dichten der freischwimmenden Larven (Veliger) der Gattung Dreissena im Bodensee 2010–2018 (Daten und Copyrhight LUBW)
Die Dreikantmuschel kam vor allem bis in Tiefen von ca. 25 m häufig und tiefer als 40 m höchstens als Einzeltier vor. Weichsubstrate sind für sie nur besiedelbar, wenn dazwischen feste Substrate zum Anheften vorhanden sind. Auf Hartsubstrat siedelt die Quagga-Muschel im Bodensee in höheren Dichten bis in Tiefen deutlich über 40 m. Auf Weichsubstrat liegen Nachweise bis in Tiefen von 250 m vor (ISF). Die Dichten auf Weichsubstrat in Tiefen größer als 30 m sind aktuell noch sehr gering. Da es sich dabei größtenteils um noch wachsende Jungtiere handelt, wird eine weitere Besiedlung mit zukünftig noch stärkerer Verbreitung angenommen. Im Lake Michigan besiedelt die dort schon länger eingeschleppte Quagga-Muschel den Seeboden mittlerweile bis in große Tiefen.
Bei der 2016 zum ersten Mal im Bodensee festgestellten Quagga-Muschel handelt es sich um eine sehr invasive Art, die nicht nur ihre Schwesterart Dreikantmuschel im Bodensee verdrängt, sondern das Potenzial hat, den gesamten Seeboden bis zum Grund zu verändern. Ob sie auch im Bodensee bis in die größten Tiefen überall hohe Dichten erreichen wird und welche Auswirkungen das für den See haben könnte, wird weiterhin aufmerksam untersucht.
(Autoren: John Hesselschwerdt, Petra Teiber-Sießeger)