Neuer Süßwasser-Borstenwurm im Bodensee: Hypania invalida
14.10.2021
Hypania invalida. Copyright: HYDRA
Im Rahmen des aktuellen Neozoenmonitorings im Bodensee wurde der Süßwasser-Borstenwurm Hypania invalida im Bodensee gefunden. Er ist der einzige Süßwasserpolychät Mitteleuropas und stammt aus dem pontokaspischen Raum. In Deutschland ist er seit 1958 aus der Donau bekannt (Kothé 1968) und breitete sich nach der Eröffnung des Main-Donau-Kanals (1992) schnell im Rheinsystem aus. In Richtung Bodensee stagnierte die Ausbreitung allerdings seit 2006 in der weiteren Umgebung von Basel. Für die bisherige Verbreitung wurde vor allem die Schifffahrt verantwortlich gemacht. Daher war eine Einschleppung in den Bodensee mit Wanderbooten bereits seit Jahren erwartet worden.
Die erste Fundmeldung im Bodensee im August 2021 stammt aus Beobachtungen im Rahmen des Quagga-Tiefenmonitorings des Instituts für Seenforschung (ISF) in Lagenargen. Hier wurden die Würmer und ihre Wohnröhren in 20-30 m Tiefe beobachtet. In zu dieser Zeit noch in Bearbeitung befindlichen Proben des Neozoenmonitorings der IBKF aus dem Flachwasserbereich vor Langenargen von Oktober 2020 konnte die Art ebenfalls nachgewiesen werden. Hypania invalida hat sich damit über einen größeren Tiefenbereich im Bodensee etabliert. Eine weitere Ausbreitung auf den Feinsedimenten des Bodensees wird erwartet.
Der Süßwasser-Borstenwurm lebt auf Feinsubstrat und ernährt sich überwiegend von Detritus. In den bisherigen Verbreitungsgebieten hat sich die Art meist in die natürlich vorkommenden Lebensgemeinschaften integriert. Daher werden für den Bodensee keine größeren Folgen für das Ökosystem erwartet.
Schnelle Ausbreitung der Quagga-Muschel im Bodensee
02.03.2020
Wie bereits berichtet, erfolgte der Erstnachweis der Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis) für den Bodensee im Mai 2016 durch Taucher in Wallhausen in ca. 25 m Wassertiefe (Patrick Steinmann, AWEL). Der folgende Artikel fasst die schnelle Ausbreitung der invasiven Art im Bodensee zusammen.
Kurz nach dem Erstnachweis erfolgte eine Nachsuche mit Tauchern und ergab zusätzlich vereinzelte Tiere am benachbarten Klausenhorn (HYDRA). Dabei wurden auch mehrjährige Tiere gefunden. Parallel tauchten im Nordteil des Obersees mehrjährige Einzeltiere in Tiefen unterhalb von 5 m auf (ISF). Der Ersteintrag in den Bodensee erfolgte damit bereits vor 2016 und eventuell nicht nur an einer Stelle. In der ufernahen Flachwasserzone ergab die Suche an 50 Standorten rings um den See zu diesem Zeitpunkt keine Vorkommen (HYDRA). Damals wurde eine unauffällige Entwicklung im Bodensee erhofft.
Kurz nach diesen Erstfunden nahm die Ausbreitung allerdings sehr schnell zu. Im Herbst 2016 tauchte die Quagga-Muschel im Bereich der bereits bekannten Gebiete auch in der ufernahen Flachwasserzone auf (Abb. oben), ein Jahr später – also im Herbst 2017 – war bereits fast das gesamte Ufer besiedelt (Abb. mitte). Seitdem gab es nur noch Lückenschlüsse und eine Erhöhung der Dichten im Flachwasserbereich (Abb. unten). An den meisten Uferbereichen hat die Quagga-Muschel die schon länger etablierte Dreikantmuschel weitestgehend verdrängt. In nennenswerten Mengen kommt letztere aktuell nur noch um die Halbinsel Reichenau und in einzelnen Bereichen des Schweizer Ufers vor (HYDRA).
Ausbreitung der Quagga-Muschel am Bodensee 2016–2019 (jeweils Herbst) (Copyright HYDRA)
In größeren Tiefen breitet sich die Quagga-Muschel erfolgreich in Bereiche aus, die bisher nicht von der Dreikantmuschel besiedelt waren. Im Gegensatz zur Dreikantmuschel kann sie unter anderem besser auf Weichsubstrat siedeln und auch bei dauerhaft niedrigeren Temperaturen wachsen und reproduzieren. Die Fähigkeit zur Besiedlung von Weichsubstraten sowie die ganzjährige Reproduktion verschaffen der Quaggamuschel deutliche Vorteile gegenüber der Dreikantmuschel. Beide Arten pflanzen sich über freischwimmende Larven (Veliger) fort. Die Dreikantmuschel setzt allerdings immer nur kurz im Jahr Larven frei – die Quagga-Muschel macht dies das ganze Jahr über. Dies zeigt sich im Bodensee bereits seit dem Winter 2016/2017.
Dichten der freischwimmenden Larven (Veliger) der Gattung Dreissena im Bodensee 2010–2018 (Daten und Copyrhight LUBW)
Die Dreikantmuschel kam vor allem bis in Tiefen von ca. 25 m häufig und tiefer als 40 m höchstens als Einzeltier vor. Weichsubstrate sind für sie nur besiedelbar, wenn dazwischen feste Substrate zum Anheften vorhanden sind. Auf Hartsubstrat siedelt die Quagga-Muschel im Bodensee in höheren Dichten bis in Tiefen deutlich über 40 m. Auf Weichsubstrat liegen Nachweise bis in Tiefen von 250 m vor (ISF). Die Dichten auf Weichsubstrat in Tiefen größer als 30 m sind aktuell noch sehr gering. Da es sich dabei größtenteils um noch wachsende Jungtiere handelt, wird eine weitere Besiedlung mit zukünftig noch stärkerer Verbreitung angenommen. Im Lake Michigan besiedelt die dort schon länger eingeschleppte Quagga-Muschel den Seeboden mittlerweile bis in große Tiefen.
Bei der 2016 zum ersten Mal im Bodensee festgestellten Quagga-Muschel handelt es sich um eine sehr invasive Art, die nicht nur ihre Schwesterart Dreikantmuschel im Bodensee verdrängt, sondern das Potenzial hat, den gesamten Seeboden bis zum Grund zu verändern. Ob sie auch im Bodensee bis in die größten Tiefen überall hohe Dichten erreichen wird und welche Auswirkungen das für den See haben könnte, wird weiterhin aufmerksam untersucht.
(Autoren: John Hesselschwerdt, Petra Teiber-Sießeger)
Rückblick auf vier Jahre Großkrebsmonitoring
23.05.2018
Ergebnisse Großkrebsmonitoring Bodensee
Seit Herbst 2014 führen wir am Bodensee ein Großkrebsmonitoring mit Kunstsubstraten durch. Anlass waren immer wieder auftretende Einzelfunde von neuen exotischen Krebsarten wie dem Signalkrebs und die Frage nach deren weiteren Ausbreitung. Aus diesem Grund wurden pro Untersuchungsstelle jeweils im Herbst sechs Kacheln als Kunstsubstrate ausgebracht, die als Winterunterstände dienen sollten. Nach Abkühlung des Bodensees im Winter wurden die Substrate wieder eingesammelt und die darunter befindlichen Krebse bestimmt und gezählt.
In den letzten vier Jahren konnten mit dieser Methode ausschließlich Exemplare des hier bereits seit den 1980er Jahren etablierten Kamberkrebses Orconectes limosus nachgewiesen werden.
Für diese Art lassen sich mittlerweile gute Aussagen hinsichtlich ihrer Verbreitung am Bodensee treffen. Bis auf einzelne Bereiche des Ostteils des Bodensees kommt sie überall regelmäßig vor. Die Dichten sind in Überlinger- und Untersee meist deutlich höher als am Obersee. Die Ursache hierfür können Wellenschlag, Substratbeschaffenheit und Wasserpflanzenvorkommen sein.
Interessant ist der zeitliche Verlauf der Dichten im Seerhein. 2014 wurde hier mit 13 Kamberkrebsen unter einer einzelnen Kachel die höchste Dichte des gesamten Monitorings festgestellt. Seit 2016 haben wir gar keine Großkrebse mehr gefunden, im Winter 2017 stattdessen ca. 50 Bachschmerlen unter einer einzelnen Kachel. Hier wurden die Kamberkrebse scheinbar von Bachschmerlen aus ihren Winterunterständen verdrängt.
Neuer Schlammröhrenwurm im Bodensee: Quistadrilus multisetosus
23.05.2018
Quistadrilus multisetosus aus dem Bodensee. Copyright: Uta Mürle
Im Rahmen unseres Neozoenmonitorings am Bodensee wurde ein neuer Schlammröhrenwurm (Tubificidae) im Bodensee gefunden. Die Proben vom Seerhein vom Herbst 2016 enthielten einzelne Exemplare von Quistadrilus multisetosus – ein deutscher Name ist nicht bekannt.
Die Art stammt aus dem Osten von Nordamerika, aus Europa sind bisher nur wenige Fundberichte bekannt. Dies kann an einer noch geringen Untersuchungslage oder einer erst beginnenden Verbreitung liegen. Über die Ökologie dieser Art ist noch weniger bekannt. In Tschechien wurde sie einem eutrophen (200-1000 µg Phosphat/L) Fluss mit sehr hoher Leitfähigkeit (>1000 µS) gefunden. Die Wasserchemie des Bodensees ist dagegen vollkommen anders: ~6 µg Phosphat/L; ~330 µS/cm.
Aufgrund der bisherigen Daten gehen wir von einem auch zukünftig unauffälligen Vorkommen im Bodensee aus. Bisher konnte keine weitere Ausbreitung beobachtet werden.
Aktuelles zur Verbreitung der Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis) im Bodensee
30.11.2017
Die Quagga-Muschel Dreissena rostriformis breitet sich weiter schnell im Bodensee aus. Aktuelle Erhebungen im Rahmen des Neozoen-Monitorings der IGKB (Internationale Gewässerschutzkommission des Bodensees) zeigten im November 2017 eine geschlossene Verbreitung im Flachwasserbereich rings um den Obersee. Die ehemalige Verbreitungslücke am Schweizer Ufer des Obersees wurde daher geschlossen. An den meisten Stellen kommt die Quagga-Muschel aktuell sogar deutlich dichter vor als die schon länger etablierte Dreikantmuschel Dreissena polymorpha.
Mittlerweile gibt es auch geringe Vorkommen der Quagga-Muschel im Untersee. Die genaue Auswertung von ausführlichen Probenahmen vom Herbst 2016 ergab einzelne Tiere im Flachwasserbereich vor Radolfzell. Aufgrund der fehlenden Verbreitung von Hartsubstraten in tieferen Seebereichen des Untersees gehen wir allerdings von einer langsameren Ausbreitung im Untersee als im Obersee aus.